Vor einigen Wochen hat die Abschaltung der Wikileaks-Seiten durch Amazon bzw. Amazon Web Services für Furore gesorgt und die Netzwelt philosophierte intensiv darüber, ob bzw. welche rechtlichen Grundlagen es dafür gab. Noch bevor diese Diskussion sich so richtig warm laufen konnte, fand die Netz-Community eine Lösung und aus dem Nichts entstanden hunderte Kopien, sog. Mirrors (siehe hier) und sorgten dafür, das die Informationen wieder verfügst waren. Übrig blieb die Diskussion, ob das sog. Cloud Computing, deren bekanntester Vertreter die Amazon Web Services (AWS) sind, überhaupt sicher genutzt werden können, wenn deren Anbieter offenbar ohne rechtliche Grundlage ein Angebot einfach abschalten können.
Diese Frage ist berechtigt und das Thema darf auch künftig nicht unterschätzt werden, da sich solche Aktion durchaus auch existenziell für Unternehmen oder Einzelpersonen, deren Inhalte betroffen sind, werden können. Gerade heute habe ich zum Thema zwei Meldungen mit ähnlichem Inhalt gelesen:
Provider schaltet Blog ab!
Der erste Fall betrifft den angeblich zweitgrößten deutschen Blog nerdcore.de, der laut Sueddeutsche Online der „Leitblog für popkulturelle Netzthemen“ ist und dessen Betreiber wohl unglücklicherweise nicht auf eine (rechtmäßig oder nicht ist in Deutschland leider egal) Abmahnung reagiert hat. Der daraus resultierende Gerichtstermin führte zu einem Schadenersatz-Anspruch des Gläubigers und dies wiederum zur (dann wieder legalen) Pfändung des Blogs. Näheres hierzu gibt es bei Robert Basic (Euroweb und Kunden ) und bei Udo Vetter (Der Gläubiger darf, aber er muss nicht)
Der zweite Fall betrifft einen grossen Deutschen Blog Aggregator für juristische Blogs, den JuraBlogs.com der wohl aus inhaltlichen Gründen für ca. 12 Stunden gesperrt wurde. Mittlerweile ist er wieder Online, wie im LexisNexis Blog zu lesen ist. Details sind noch nicht bekannt, aber das dürfte wohl noch zu einer Reihe von Nachbeben in der Netzwelt führen.
Am Ende zeigt sich doch nur eins: Daten, Inhalte und Relevanz werden immer wichtiger, dagegen verlieren Technische Parameter und Artefakte wie Domain-Namen und Server-Standorte an Bedeutung. Künftig zählt, wer was sagt und nicht mehr, über welche IP-Adressen, Servernamen oder Keywords die Information zu erreichen sind. Das dies für einige Bereiche der Online-Industrie zu einem Problem werden könnte, liegt auf der Hand.
PS: Der Blog Nerdcore.de ist mittlweile über die Domain http://www.crackajack.de/ erreichbar.
[…] Roland Judas: Allmächtige (Cloud) Provider […]
Ich möchte gerne mal wissen, wie sich Amazon-Kritiker fühlten, wenn Sie plötzlich einen Anruf oder Besuch von schwarz gekleideten Agenten bekommen, die Ihnen erklären, sie sollen dies oder jenes bei Ihren Kunden sperren. Da braucht es keinen richterlichen Beschluss, um Angst um das Unternehmen zu bekommen.
Was wir alle nicht wissen ist, wie sehr Provider, insbesondere die großen, mir der Politik verquickt sind. Hier ein Datacenter, dort einen Backbone, da dann eine steuerliche Vergünstigung, hier eine kleine, durchaus legale Subvention. Diese Unternehmen denken in solchen Momenten an ihre eigene Zukunft, und dazu sind sie verpflichtet. Sie wollen es sich eben mit niemandem verscherzen. Genau das aber macht sie abhängig, und bestimmt nicht allmächtig.